Goldhochzeitsgedicht



Golden, silbern, eisern, ehern
Nennt die Alter man der Welt,
Und zum niedern von dem höhern
Schreitet fort sie, wird erzählt.

Doch der Mensch in unsern Tagen
Siebt die Alter sich verkehrt:
Jugend, die schon Sorgen plagen,
Zeigt nur eisern ihren Wert.

Erzgewappnet geht das Leben,
Selbst die Liebe wird zum Streit.
Und dem stets erneuten Streben
Liegt der Ruhe Glück so weit.

Erst nach durchgekämpften Jahren
Lacht das Schicksal wieder hold,
Und mit Silber in den Haaren
Wird die Zeit, die Ehe - Gold.

Sammlung von Gelegenheitsgedichten, 1852


Von einer Enkelin bei der goldenen Hochzeit ihrer Großeltern

Der Geist der Zeit verlacht der Vorwelt Sitten,
Und höhnt die Schwestern oft in Ernst und Scherz.
Wohl ist er ihr in Künsten vorgeschritten,
Doch, was der Kopf gewann, verlor das Herz.

Die Selbstsucht hat sich an den Platz gedrungen,
Wo Biedersinn vor grauen Jahren stand.
Die Falsche spricht mit glatten Doppelzungen,
Und kein Vertrag ist ihr ein heilig Band.

Ruhm sei der Zeit, die Euch, ehrwürd'ge Gatten,
Zum Altar sah in Jugendschritten geh'n!
Was damals Hand und Mund gelobet hatten,
Das hielt das Herz so fest, wie Berge steh'n.

Es treten heut' ein halbes hundert Jahre
Als Zeugen auf und künden Euer Lob;
Sie sah'n, wie Euch zu einem Musterpaare
Ein selt'ner Bund von Tugenden erhob.

Ihr liebet Euch nicht in den Blütentagen
Der Jugend nur und auf des Glückes Bahn, -
Ihr schlosset stets in kummervollen Tagen
Noch inniger Euch an einander an.

Ihr lebtet ganz für Eure Söhn' und Töchter
Nicht kleinen Kreis, der um Euch her entstand.
Ihr waret uns'rer Wohlfahrt treue Wächter,
Und führtet uns zum Glück mit sanfter Hand.

Euch g'nügte streng im eigenen Entsagen
Ein mäßiges an Freuden armes Los,
Doch war für uns ein hoher Wurf zu wagen,
So schien fürwahr! kein Opfer Euch zu groß.

Ihr hättet selbst bei eines Notfalls Dringen,
Durch Heldentod das Leben und gewährt;
Dem Vogel gleich, der, wie die Dichter singen,
Mit Strömen seines Blut's die Jungen nährt.

Hoch steht Ihr nun auf Eures Alters Warte
Und blickt hinab in's tiefe Lebenstal:
Da liegt vor euch wie eine Länderkarte
All' Eurer Werke ruhmbekränzte Zahl.

O möchtet Ihr noch lang' hinunter schauen,
Von Enkelkindern jubelvoll umtanzt,
Hinunter in die hellen grünen Auen,
Wo die Erinnerung Euch Rosen pflanzt!

Wer so, wie Ihr, auf des Gewissens Waage
Stets wog und tat, was gut und rechtlich war
Dem bietet jeder Geist verlebter Tage
Der Seelenruh' balsam'sche Blumen dar.

Und Engel winden sie dereinst zu Kränzen,
Die kühlend sich um seine Schläfe zieh'n
Und oben, wo die ew'gen Sterne glänzen,
Um sein verjüngtes Haupt unsterblich blüh'n.

Universal-Gratulant, 1845


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