Brautlied
Welch ein Scheiden ist seliger,
Als zu scheiden von Mädchentagen?
Welch ein Klagen ist fröhlicher,
Als in Myrten um Veilchen klagen?
Als dein Schifflein im Hafen lag,
Meerwärts oft sich die Wimpel regten,
Ob auch heimischer Wellenschlag,
Land und Himmel es treulich hegten.
Nun die Anker gelichtet sind,
O wie köstlich die Fahrt ins Weite!
Düfte schwimmen im Frühlingswind,
Und du lächelst an Seiner Seite.
Manch ein segnender Seufzer schwingt
Sich ins Segel, es lind zu schwellen,
Laß dies Lied, das die Liebe singt,
Sich als günstigen Hauch gesellen!
Paul Heyse
Säumt mir des Lagers Linnen
Mit dunk'ler Rosen Zier,
Mit blühenden Gewinden
Umkränzt die nied're Thür
Und öffnet weit die Fenster,
Die Sonne laßt herein:
Voll Licht soll meine Kammer,
Mein Herz voll Jauchzen sein!
Bescheiden ging mein Leben
In stillen Gründen hin,
Heut' trag ich eine Krone,
Heut' bin ich Königin!
In Freuden ihn zu grüßen,
Harr' ich des Liebsten mein:
Voll Licht soll meine Kammer,
Mein Herz voll Jauchzen sein.
Wohl mag die Sorge kommen,
Der Sturmwind uns umweh'n -
Nie soll er meine Seele
Verzagt und feige seh'n,
Nie meinen Blick voll Thränen
Und meine Liebe klein:
Voll Licht soll meine Kammer,
Mein Herz voll Jauchzen sein.
Und küßt der Tod die Lippen,
Die heut' dem Leben blüh'n,
Und bleicht er diese Wangen,
Die heut' in Sehnsucht glüh'n -
Ich nehme, was mich tröstet,
Mit in das Grab hinein:
Voll Licht soll meine Kammer,
Mein Herz voll Jauchzen sein.
Hört, wie der Klang der Glocken
Mein bräutlich Haus umzieht,
Sie singen meiner Liebe
Ein jubelnd Hochzeitslied.
Eilt, Mädchen, ihm entgegen
Und laßt den Liebsten ein:
Voll Licht soll meine Kammer,
Mein Herz voll Jauchzen sein.
Anna Ritter
Die Muse fehlt nicht selten,
Wenn man sie eben will;
Sie schweift in fernen Welten,
Und nirgends hält sie still.
Die Schwärmerin verträumet
Gar oft den Glockenklang;
Was sag' ich? Sie versäumet
Selbst einen Hochzeitstag.
So auch zu Eurem Feste
Erscheinet sie zu spät
Und bittet nun aufs beste,
Dass Ihr sie nicht verschmäht.
Des schönsten Glückes Schimmer
Erglänzt Euch eben dann,
Wenn man Euch jetzt und immer
Ein Brautlied singen kann.
Ludwig Uhland
Es naht der Tag, der mich vereint
Mit dir, Geliebter mein.
Wie pocht mir ahnungsvoll das Herz:
Vor Gott und Menschen dein!
Ein banges Zagen mich durchbebt,
Doch Glück besiegt das Leid; -
O wären tausend Leben mein,
Dir wären sie geweiht.
Dein Hort im Sturm, dein Licht im Leid,
Dein Schutzgeist will ich sein.
Und keine, keine Trennung mehr.
Auf ewig, ewig dein!
Fanny Edel
(Die Geschwister des Bräutigams)
Er fliegt hinweg, dich zu umarmen,
und unsre Seele jauchzt ihm laut!
Mit innig heißerem Verlangen
flog nie der Bräutigam zur Braut.
O Schwester, willst du länger weilen?
Auf, bring uns doppelt ihn zurück!
Wir wollen alles mit dir teilen,
und unser Herz und unser Glück.
Die besten Eltern zu verlassen,
die Freunde, denen du verschwind'st,
ist traurig; doch, um dich zu fassen,
bedenke, was du wiederfind'st.
Dein Glück, o Freundin, wird nicht minder,
und unsers wird durch dich vermehrt:
Sieh, dich erwarten muntre Kinder,
die werten Eltern Gott beschert.
Komm zu dem täglich neuen Feste,
wo warme Liebe sich ergießt,
ringsum die brüderlichen Gäste,
da eins des andern Glück genießt.
Im lang erhofften Sommerregen
reicht Gott dem früchtevollen Land
Erquickung, tausendfält'gen Segen! -
reich du dem Bruder deine Hand!
Und mit der Hand ein künftig Glücke
für ihn und dich und uns zugleich;
dann werden alle Augenblicke
an neuen Lebensfreuden reich,
Ja, es sind wonnevolle Schmerzen,
was aus der Eltern Augen weint!
Sie sehen dich mit warmen Herzen,
mit deiner Schwester neu vereint.
Wie Freud und Tanz ihn dir ergeben
und Jugendwonne euch verknüpft:
So seht einst euer ganzes Leben
am schönen Abend hingeschlüpft!
Und war das Band, das euch verbunden,
gefühlvoll warm und heilig rein,
so laßt die letzte eurer Stunden,
wie eure erste, heiter sein!
Johann Wolfgang von Goethe
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